Cordula Schneckenburger im Gespräch

'Was hat man uns da vorgespielt?'

Die Präsidentin des Lehrerverbands Schaffhausen geht mit dem Sparpaket des Regierungsrates hart ins Gericht: 'Ich warne davor', sagt Cordula Schneckenburger, 'alles effizienter und zeitsparender machen zu wollen.' Kürzlich trat sie dem Bündnis 'Zukunft Schaffhausen' bei – dem Widerstand gegen ESH4.

Quelle: Schaffhauser AZ, 16.10.2014

von Kevin Brühlmann

Cordula Schneckenburger, Sie sind Reallehrerin in Schaffhausen. Kommen Sie mit dem Lehrstoff in den Ihnen zur Verfügung stehenden Lektionen durch?
Gerade bei den mathematischen und naturwissenschaftlichen Fächer muss ich manchmal Ende Jahr feststellen, dass nicht alle Schüler alles können. Das hängt zum Teil mit meiner Klientel zusammen, aber auch mit den Anforderungen, die in den letzten Jahren gestiegen sind. Ich will nicht unbedingt dafür plädieren, künftig mehr Lek­tionen zur Verfügung zu haben. Fest steht jedoch: Die Zeit ist knapp bemessen ...

... bald vielleicht noch knapper: Im Rahmen des Entlastungsprogramms 2014, kurz ESH4, will der Regierungsrat nun bei den ersten bis neunten Klassen 14 Lektionen streichen und damit 1'127’090 Franken sparen.
Schulstunden abzubauen, vor allem in den Grundlagenfächern wie Mathematik und Deutsch – das finde ich unsäglich. Ich warne davor, alles effizienter und zeitsparender gestalten zu wollen. Die Qualität des Unterrichts, Qualität überhaupt, bedingt einfach, Zeit zu haben. Und wenn man den Leuten Zeit raubt, dann wird 'geschludert', und es kommt zu Ein­bussen bei der Qualität.

Die Schaffhauser Schulen gelten als überdurchschnittlich attraktiv: Die Schülerinnen und Schüler schneiden bei PISA-Studien regelmässig sehr gut ab. Da sollten einige Lektionen weniger doch keinen grossen qualitativen Schaden anrichten.
Gegenfrage: Warum soll man etwas, das gut funktioniert, das uns Anerkennung und eine gewisse Attraktivität verschafft, schlechter machen? Es war doch jahrelang davon die Rede, dass Schaffhausen ein attraktiver Bildungsort ist und auch sein will. Deshalb frage ich mich, weshalb man genau in diesem Bereich im grossen Stil Leistungen abbauen will.

Der Lehrerverband Schaffhausen (LSH) ist vor Kurzem dem Bündnis 'Zukunft Schaffhausen' beigetreten, wo Sie nun als Vize-Präsidentin federführend ESH4 bekämpfen. Sind Sie per se gegen jegliche Sparmassnahmen?
Es geht nicht darum, dass wir gegen alles sind und überall abblocken. Ich hätte nichts dagegen, wenn die Regierung zwei Lektionen kürzen würde und vielleicht sogar sagt, wo dies der Fall sein soll. Aber sie streicht 14 Lektionen und sagt nicht, wo genau. Sie müssen sich vorstellen: Mitte der 90er-Jahre waren wir ungefähr bei dieser Dotation, also mit 14 Schulstunden weniger. Da gab es noch kein Frühfranzösisch, Frühenglisch, keine musikalische Grundschule. Es kann doch nicht sein, dass man Dinge, die man jahrelang als nützlich und hilfreich für die Schüler angesehen hat, plötzlich über Bord wirft.

Die Errungenschaften der letzten Jahre sollen demnach einfach gekippt werden?
Die Regierung äussert sich ja nicht da­rüber, was genau gestrichen werden soll. Wenn es nun Dinge sind, die seit 30, 40 Jahren etabliert sind, dann frage ich mich schon: Was hat man uns da vorgespielt? Hat man für die Bildung die längste Zeit Werbung gemacht und verzichtet nun einfach wieder darauf? Dann hätte man sich in den letzten 20 Jahre nur in die Irre führen lassen.

Bis 2018 stehen Einsparungen von 4,72 Millionen Franken im Bildungsbereich an, die der Regierungsrat so bereits in eigener Regie beschlossen hat. Dazu kommen 2,13 Millionen Franken, die in der Zuständigkeit des Kantonsrats liegen. Ist dieses Sparpotenzial in der Bildung von insgesamt 6,85 Millionen Franken realistisch?
Ich bin keine Finanzdirektorin, aber aus rein buchhalterischer Sicht mag das Sinn ergeben. Dann muss man aber auch wirklich von einem Leistungsabbau reden. In der Vergangenheit hätte man in dieser Hinsicht auch transparenter sein und die Kosten bei neuen Angeboten offenlegen sollen. So hätte sich die Bevölkerung zweimal überlegt, ob man sich Neuerungen wie das Frühenglisch oder Ähnliches leisten will. Das wurde jedoch nicht getan, weil das Geld einfach da war. Etwas böse gesagt, wurde so das Bild vermittelt, Bildung sei für Denner-Preise zu haben.

Es gibt da ein Sprichwort von John F. Kennedy, das besagt: 'Es gibt nur eins, was auf Dauer teurer ist als Bildung: keine Bildung.' Schneidet sich die Regierung mit ESH4 ins eigene Fleisch?
Auf lange Sicht bestimmt. Mich stört es, dass jetzt, wo der Druck des Defizits da ist, plötzlich Stunden gestrichen werden sollen, deren Wichtigkeit jahrelang gepredigt wurde. Das ist schon komisch.

Gehen wir etwas ins Detail: Neben der Volksschule soll vor allem die Kanti den Gürtel enger schnallen. Hier möchte man mit einem Leistungsabbau 1,63 Millionen Franken einsparen. Der Hintergrund: Die Studie BAK-Basel hat gezeigt, dass die Pro-Kopf-Kosten eines Kantischülers höher sind als in den Vergleichskantonen.
Die Maturitätsquote ist in Schaffhausen kleiner als in anderen Kantonen, logischerweise sind auch die Kosten pro Schüler höher. Wenn man das Angebot der Kanti berücksichtigt – die Schule deckt ja mehr oder weniger alles ab, was man braucht, um irgendein Studium zu beginnen –, ist es klar, dass sie verhältnismässig teuer ist. Auf der anderen Seit hat die Kanti auch einen guten Ruf – den man mit den Einsparungen allerdings auch wieder verlieren kann. Letztlich ist die Zeit, wie vorhin bereits angesprochen, ein wahnsinniger Qualitätsfaktor. Und wenn man den Lernenden diese Zeit nicht gönnt, fährt man eine Gesellschaft ein Stück weit an die Wand.

Eine weitere umfassende Massnahme, die erst noch dem Kantonsrat vorgelegt werden muss, trägt den Namen 'Volksschule aus einer Hand'. Damit soll die Organisation der Volksschule auf kantonaler Ebene geregelt werden. Das bedeutet: Streichung von 39 Pensen und eine Kosteneinsparung in der Höhe von 1,85 Millionen Franken. Ist diese Idee sinnvoll?
Sie hat eine gewisse Berechtigung, ja. Aus meiner Sicht kann man aber nicht einfach voraussagen, wieviel damit gespart werden kann. Gegen diese Sparmassnahme werden wir sicherlich keinen Kampf eröffnen. Wir sehen hier durchaus ein gewisses Potenzial, auch wenn die Entlassungen natürlich unschön sind.

Man kann nicht verleugnen, dass der Kanton ein massives Finanzproblem hat, das lieber morgen als übermorgen behoben werden muss. Hat das Bündnis 'Zukunft Schaffhausen' bereits eigene Lösungsansätze parat?
Einen gemeinsamen Ansatz sehen wir etwa in der Erhöhung des Steuerfusses um mehr als nur drei Punkte. Mir ist es auch wichtig, dass das Parlament die Massnahmen diskutiert, die es noch beeinflussen kann.

Sie sind also durchaus kompromissbereit?
Klar. Man könnte natürlich noch lange darüber streiten, wer an der Finanzlage des Kantons schuld ist, das bringt uns jedoch auch nicht weiter.

Wie sehen Sie die Chancen des Bündnisses? Immerhin ist die Mehrheit des Kantonsrats bürgerlich, und diese dürfte keine Freude an Steuererhöhungen haben.
Es ist phänomenal, dass 20 verschiedene Organisationen am selben Strick ziehen. Daher glaube ich schon, dass wir eine starke Stimme haben und einiges bewirken können.

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